IN ALLER MUNDE: KRABBENBRöTCHEN-KRISE

Der Preis für Garnelen hat sich mehr als verdoppelt. Wird Norddeutschlands beliebtester Snack bald nur noch was für Reiche?

Krabbenbrötchen-Krise

Die Zeiten sind hart, und in Norddeutschland sind sie gerade noch etwas härter: Es herrscht Krabbenbrötchenkrise, ein allgemeiner Notstand, den man sich in Bayern ungefähr wie eine plötzliche, von den Behörden unzureichend erklärte Leberkässemmelknappheit vorstellen muss.

"Preisexplosion. (...) bis zu 15 Euro!" titelte gerade Bild und bezog sich damit auf den Hamburger Traditionsimbiss "Brücke 10", wo das Brötchen mit Büsumer Krabben, Remoulade und Salatdeko in der Woche zuvor noch mal um 1,50 Euro teurer geworden war. In 25 Filialen der schicken Fischrestaurant-Kette "Gosch" flog Norddeutschlands vielleicht bekannteste Spezialität wegen der Preise gleich ganz von der Karte. Krabbenbrötchen? - gibt es nur noch im Gosch-Stammhaus in Westerland auf Sylt. Ja und nu?

Tatsache ist, dass sich der Preis für ein Kilo ungeschälte Nordseekrabben ab Kutter seit 2023 mehr als verdoppelt hat, er stieg von sechs auf 14 Euro, ein Allzeithoch, wie die Erzeugergemeinschaft der Deutschen Krabbenfischer bestätigt hat. Darüber hinaus aber muss man beim Thema Krabbenbrötchen dringend differenzieren, schließlich handelt es sich um eine Spezialität, an der streng genommen schon der Name falsch ist.

Die norddeutsche Krabbe ist eigentlich keine

Als Langschwanzkrebs ist die Nordseekrabbe eigentlich eine Garnele, was die Norddeutschen aber nie davon abhielt, sie volkstümlich "Krabbe" zu nennen, normal nur eine Bezeichnung für Kurzschwanzkrebse. Die Nordseegarnele ist zwischen Weißem Meer und der marokkanischen Küste verbreitet, sie mag sandige Böden und flaches Wasser, nennenswert befischt wird sie nur in den Niederlanden, Dänemark und vor allem: in Deutschland.

Wenn dort nun der Preis für ein Krabbenbrötchen satte 15 Euro beträgt, dann sollte man auch nach den Mengen fragen, mit denen das Brötchen belegt wurde. Der Hamburger Imbiss "Brücke 10" füllt seine Brötchen nämlich mit 100 Gramm Krabbenfleisch - etwa doppelt so viel wie an vielen anderen Ständen. Das schrieb Bild zwar auch, doch hängen blieb die Botschaft von den 15 Euro, was alarmierender klingt als - immer noch teure - 7,50 Euro für ein Brötchen mit halb so viel Belag.

Eine weitere Wahrheit ist, dass die Bestände der Nordseegarnele immer schon stark schwankten, im Schlechten wie im Guten. 2011 etwa holten die deutschen Fischer so viele Garnelen aus dem Wasser, dass sie die Fischerei einstellen mussten, damit der Kilopreis wieder auf mehr als zwei Euro stieg. Sechs Jahre später warnte dann die Zeit vor der "Krabbenbrötchenkrise", die Erträge waren plötzlich derart dünn, dass sich der Kilopreis 2017 erstmals der Zwölf-Euro-Marke näherte.

Immer weniger Garnelen: Die Uni Hamburg sucht nach Ursachen

Die deutsche Krabbenfischerei ist hart und immer schwerer planbar. Zum Pulen werden die Tiere aufwendig nach Marokko, Polen und Belarus gebracht, zu Hause im Wattenmeer gibt es zunehmend Schleppnetzstress mit Umweltschützern. Warum die Garnelenvorkommen schwanken, ist unklar, ein Grund sind die jeweiligen Bestände des Wittlings, ein Dorsch und Fressfeind der Garnele. Über die Jahre aber sind die Erträge stetig gesunken, 8000 Tonnen Krabben holen die Fischer im Schnitt pro Saison aus der Nordsee, vor 25 Jahren seien es noch 12 000 Tonnen gewesen, heißt es bei der Erzeugergemeinschaft der Krabbenfischer. Wieso die Fänge abnehmen, erforscht derzeit die Universität Hamburg - Temperatur, Klimawandel, Umwelteinflüsse, Strömung, Fischerei - alles wird einbezogen.

Ergebnisse stehen noch aus. Doch eine ängstliche Frage der Nordseezeitung aus der vergangenen Woche lässt sich schon beantworten: "Werden Krabben bald zum Luxus-Lebensmittel?" Werden: nein - sie sind es schon lange.

2024-04-25T15:13:03Z dg43tfdfdgfd